05.02.2016

Stellungnahme: Gegen sexualisierte Gewalt und Rassismus

Screenshot Pressemitteilung

Wir sind entsetzt über die massiven Vorfälle sexualisierter Gewalt in der Silvesternacht. Ebenso entsetzt sind wir über die Art und Weise wie darüber berichtet wird. Sprachlos machen uns der unverhohlene Rassismus und der offene Sexismus, die derzeitig die gesellschaftliche Debatte durchziehen. Außer Frage steht, dass die begangenen Verbrechen und Täter zu verurteilen sind. Kein_e Unterstützer_in für Geflüchtete hat etwas Anderes gefordert. Ebenso sollte niemand – entsprechend mancher Anschuldigungen – die begangenen Straftaten relativieren oder entschuldigen.

Die hetzerische, undifferenzierte und oftmals rassistisch geführte Berichterstattung und deren Kommentierung sind der begangenen Verbrechen dennoch unwürdig. Journalist_innen und Kommentator_innen fokussieren nicht etwa eine sachliche Debatte über alltägliche sexualisierte Gewalt an Frauen jedweder Herkunft, derer sich Männer jedweder Herkunft schuldig machen. Es wird zu wenig davon berichtet, dass Sexualverbrechen, egal wer sie verübt, oftmals nicht zu Verurteilungen führen. Es wird zu wenig davon berichtet, dass Frauen oftmals vorgehalten wird, sie trügen selbst die Schuld an den an ihnen begangenen Verbrechen. Es wird zu wenig von der Dunkelziffer an ungeahndeten Vergewaltigungen von Frauen in Deutschland berichtet.

Stattdessen suggeriert die derzeitige Debatte, sexualisierte Gewalt an Frauen sei eine völlig neuartige Fremderscheinung, deren Entstehung im unmittelbaren Zusammenhang mit der „Flüchtlingskrise“ und dem „Gutmenschentum der Willkommenskultur“ stehe. Es wird so getan, als gehöre die Gewalt an Frauen nicht zum Alltag in unserer „Leitkultur“. Es wird so geredet, als könnten allein Geflüchtete nicht für Sexualverbrechen bestraft werden. Offen rassistische Forderungen, Schuldzuweisungen und Scheinzusammenhänge werden unter dem Deckmantel der „Sorge um die Sicherheit 'unserer Frauen'“ in die Kommentarspalten und Foren geschmiert und auf die Straßen getragen. Die Straßen und Internetforen sind voll mit „mutigen“ Menschen, die von sich behaupten, dem Rest der Gesellschaft unschöne Wahrheiten über das Gewaltpotential der Geflüchteten zuzumuten. Die Opfer der Silvesternacht werden angesichts solcher widerlichen Selbsterhöhungen – gewollt oder nicht – für politische Zwecke und hetzerische Stimmungsmache instrumentalisiert. Es ist beschämend, dass der gesellschaftliche Aufschrei diesbezüglich ausbleibt.

Wir sollten und müssen als Gesellschaft eine enttabuisierte Debatte über sexualisierte Gewalt an Frauen führen. Eine solche Debatte muss sich natürlich auch mit den an Frauen begangenen Verbrechen in Unterbringungseinrichtungen für Geflüchtete auseinandersetzen. Ebenso muss in einer solchen Debatte jedoch eindeutig Position bezogen werden. Die Aussage „'arabisch-stämmige' Männer neigen zu Gewalt an Frauen“ ist nicht mutig, sondern rassistisch. Die Aussage „Nordafrikaner können nicht zwischen wechselseitiger Zuneigung und sexueller Belästigung unterscheiden“, ist nicht mutig, sondern rassistisch.

Wir stehen als Gesellschaft an einem Punkt, an dem rassistische Hetze und sexistische Anrufungen salonfähig und zum festen Bestandteil der Debattenführung geworden sind. Es ist unerträglich, dass wir trotzdem noch immer so tun, als wären wir erst auf dem Weg hin zur Eskalation. Die Grenze der Menschenwürde ist längst überschritten!