Westfalen-Blatt: »Um Europa keine Mauer ziehen«
300 Menschen demonstrieren für die Rechte von Flüchtlingen
Kreis Gütersloh (WB). 300 Menschen haben am Samstag in Gütersloh für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen von Flüchtlingen im Kreis demonstriert. Im Zentrum der Proteste: Kommunen wie Harsewinkel und Verl, die Flüchtlinge zu angeblich schlecht bezahlter »Zwangsarbeit« heranzögen.
Von Lukas Schürmann
»Wir demonstrieren gegen rassistische Sondergesetze und gegen restriktive Auslegung des Rechts«, schallt es schon am Bahnhof aus den Lautsprechern, die auf das Dach eines Begleitautos montiert sind. Immer wieder stimmen die Organisatoren der Demonstration über sie Sprechchöre an: Gegen Abschiebungen schreit der Zug, gegen die rechtliche Mauer, mit der Europa seine Grenzen schütze, und für eine Ausweitung des Bleiberechts.
Vom Bahnhof aus führt die Route des friedlichen Zugs durch die vielbevölkerte Fußgängerzone zum Berliner Platz, wo zwischen Markt- und Wahlinfoständen eine kurze Kundgebung stattfindet. Angeführt von der farbenfroh gekleideten Trommelgruppe »Rhythms of Resistance« ziehen die Demonstranten anschließend durch die Hohenzollernstraße zur Turnhalle am Marktplatz – hier stand früher ein Abschiebegefängnis.
Eine »restriktive Auslegung des Rechts« werfen die Demonstranten insbesondere den Kommunen Harsewinkel und Verl vor. Diese Städte, so geht etwa aus dem Bericht eines Betroffenen auf dem Berliner Platz hervor, zögen Flüchtlinge für 1,05 Euro pro Stunde zu Arbeiten heran: Im Sommer müssten sie Rasen mähen oder Freibäder reinigen, im Winter Schnee schippen. Wer in diesem System der »Zwangsarbeit« nicht mitmachen wolle, riskiere Leistungskürzungen. Die Forderung der Demonstranten: Anstelle der Arbeitseinsätze solle man den Geflüchteten Deutschkurse anbieten.
Am Marktplatz kommt der Zug zu einer weiteren Kundgebung zum Stehen. »Diese Turnhalle hat eine böse Geschichte«, sagt Frank Gockel vom Verein »Hilfe für Menschen in Abschiebehaft« in seiner Rede. Auf diesem Gelände seien früher Menschen eingesperrt worden, um sie abzuschieben – bisweilen geradewegs in die Arme ihrer Mörder. Gockel zitiert einen Richter des Bundesgerichtshof, nach dem 85 bis 90 Prozent aller in Abschiebehaft Inhaftierten rechtswidrig festgehalten würden.
Die Bundesregierung arbeite aber bereits an neuen Gründen, um Asylsuchende zu inhaftieren: So sei geplant, die Umgehung von Grenzkontrollen zu einem Haftgrund zu machen. Flüchtlingen ohne Papiere bleibe aber oft nichts anderes übrig, um ihre Heimatländer zu verlassen. »Neues geltendes Recht soll es also werden, jeden Flüchtling systematisch einzusperren«, sagt Gockel. Das gelte es zu verhindern.
So steht am Ende der Demo dann auch der Aufruf, sich an der nächsten zu beteiligen: Am 30. August gehe es nach Büren. Im Gegensatz zur Dalkestadt, wo das Gefängnis mittlerweile einer Turnhalle gewichen ist, werden dort nach wie vor Häftlinge zum Zweck ihrer Ausweisung inhaftiert.
[FOTO] Vor allem jüngere Menschen demonstrieren für die Rechte von Flüchtlingen. Deutsch, Französisch, Englisch - neben den Plakaten wurden auch die Reden in mehrere Sprachen übersetzt.
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