Westfalen-Blatt: Das Trauma bewältigen
Erste psychosoziale Beratungsstelle für Flüchtlinge in OWL eingerichtet
Bielefeld (WB). In Bielefeld ist die erste »Psychosoziale Beratung für Flüchtlinge« (PSF) gegründet worden. Nach einer Pilotphase im vergangenen Jahr wollen die Kooperationspartner, der Arbeitskreis Asyl Bielefeld und die Klinik für Psychotherapeutische und Psychosomatische Medizin im Evangelischen Krankenhaus Bielefeld (EvKB), dieses Hilfsangebot dauerhaft etablieren.
Von Uta Jostwernerund Hans-Werner Büscher (Foto)
Etwa 5000 Flüchtlinge aus Krisenregionen der ganzen Welt suchen in Ostwestfalen-Lippe Schutz. »Schätzungen zufolge leiden 40 Prozent an einer Traumafolgeerkrankung«, weiß Kathrin Dallwitz vom Arbeitskreis Asyl. »Die Arbeit mit traumatisierten Flüchtlingen erfordert mehr Aufmerksamkeit«, sagt die Sozialarbeiterin. Als sich im Jahr 2014 die Option auf eine Landesförderung von anderthalb Stellen ergab, wandte sich der Arbeitskreis Asyl an die Klinik für Psychotherapie und Psychosomatische Medizin. Gemeinsam wurde ein Konzept entwickelt, das in einer Verbindung von Sozialarbeit und ambulanter Psychotherapie eine erste Einschätzung über den Hilfsbedarf traumatisierter Flüchtlinge erlaubt. Das Angebot gilt als erster Schritt und soll den Weg der Betroffenen in medizinisch-therapeutische Hilfesysteme ebnen.
An der Klinik im EvKB hat die leitende Ärztin Dr. Andrea Möllering das Projekt zur Chefsache erklärt. »Es war eine emotionale Herzensentscheidung«, sagt sie. Gemeinsam mit einer leitenden Oberärztin und einer Psychologin führt Möllering aktuell die Gespräche mit traumatisierten Flüchtlingen. Langfristig soll die Arbeit auf »breite Schultern«, so die Chefärztin, verteilt werden.
Um ein verlässliches Netzwerk aus Ärzten und Therapeuten zu schaffen, warb die Kooperationsgemeinschaft gestern bei einer Infoveranstaltung um Psychologen und Psychiater. Mehr als 100 Teilnehmer waren der Einladung gefolgt. Niedergelassene Ärzte und Therapeuten sollen künftig in regelmäßigen Supervisionssitzungen auf die Arbeit mit traumatisierten Flüchtlingen vorbereitet werden.
Wichtige Unterstützer des Projekts sind ehrenamtliche Sprach- und Kulturmittler, die an den Therapiesitzungen teilnehmen und – anders als ein professioneller Dolmetscher – wörtlich übersetzen. »Das ist für den therapeutischen Prozess sehr wichtig«, betont Andrea Möllering. Die Muttersprachler übersetzen ins Persische, Arabische, Kurdische, Albanische oder Somalische, um die aktuell gefragtesten Sprachen zu nennen. »Wir finden sie über Kontakte zur Universität«, sagt Kathrin Dallwitz. Bislang erhalten die Übersetzer lediglich eine Aufwandsentschädigung für ihr Engagement.
Auch die Sprach- und Kulturmittler werden in Schulungen auf ihre Aufgabe vorbereitet. Schließlich, so Möllering, sei es nicht einfach, mit den traurigen Erzählungen der Flüchtlinge umzugehen. »Man braucht Nähe und gleichzeitig professionellen Abstand«, erklärt Möllering. Der Druck von außen sei zudem groß. Häufig hänge von ihrer Diagnose ab, ob jemand abgeschoben werde oder nicht. Indes, so die Ärztin, seien die Heilungschancen aussichtsreich: »Viele haben eine stabile Kindheit erlebt. Bei ihnen kann man mit einer rechtzeitigen Krisenintervention noch etwas bewirken.«
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