19.12.2013

Westfalen-Blatt: »Das ist menschenunwürdig«

Zeitungsausschnitt

Seite 17 - Lokales Bielefeld

Kritik an Zuständen im Flüchtlingsheim an der Westerfeldstraße – Stadt reagiert

Bielefeld (WB). Bis zu sechs Personen sollen sich ein Zimmer teilen, das Treppengeländer ist instabil, die Beleuchtung teilweise defekt: Katastrophale Zustände herrschen nach Angaben des Arbeitskreises Asyl in der Flüchtlingsunterkunft an der Westerfeldstraße 31 in Schildesche. Die Verwaltung reagiert jetzt auf die Vorwürfe.

Von Stefan Biestmann und Hans-Werner Büscher (Foto)

In dem Mehrfamilienhaus am Kleinbahnhof wohnen 28 alleinstehende männliche Flüchtlinge aus verschiedenen Nationen – offenbar unter desolaten Bedingungen. Laut Arbeitskreis Asyl müssen sich 21 Personen ein Bad und eine Küche teilen. In der Küche mache sich Ungeziefer breit. »Das ist menschenunwürdig. Da möchte ich nicht eine Nacht schlafen«, meint Kathrin Dallwitz (Arbeitskreis Asyl).

In einem Offenen Brief fordert der Arbeitskreis den Sozialdezernenten Tim Kähler auf, kurzfristig Ersatzwohnraum bereitzustellen. Kritik kommt auch von den Grünen. »Die Stadtverwaltung muss umgehend eine andere Lösung finden, die Menschen anders unterbringen und das Gebäude umfassend sanieren«, fordert Grünen-Ratsfraktionschefin Lisa Rathsmann-Kronshage.

Kähler räumt ein, dass die Zustände in der städtischen Einrichtung nicht akzeptabel seien. Davon habe er sich bei einem Ortstermin überzeugen können. Er habe gestern veranlasst, dass zehn der 28 Bewohner vorübergehend in Hotelzimmern untergebracht würden. »Dadurch wird die Situation entschärft«, glaubt er. Ab   Januar sollen dann weitere Bewohner auf Wohnungen im gesamten Stadtgebiet verteilt werden, die unter anderem von Kirchengemeinden oder der GAB Sozialförderungsgesellschaft zur Verfügung gestellt würden. Zudem sei eine Renovierung des Gebäudes an der Westerfeldstraße geplant, betont Kähler. Die Flüchtlinge, die dort verbleiben, sollen nach jetzigem Stand spätestens im August 2014 die Unterkunft verlassen. Denn die Stadt wolle noch in der zweiten Hälfte des Jahres 2014 die neue Asyl-Unterkunft mit 200 Plätzen an der Eisenbahnstraße in Brackwede beziehen. Wie berichtet, ist diese umstritten, aber bereits vom Rat beschlossen.

Neben der Erstaufnahme-Einrichtung für Asylbewerber am Südring mit 250 Plätzen gibt es in der Stadt unter anderem noch Flüchtlingsheime an der Teichsheide und am Stadtring in Brackwede. Aufgrund der Tatsache, dass Bielefeld mehr als 400 Asylsuchende zugewiesen bekommt, habe die Stadt gerade in den vergangenen Monaten händeringend nach weiteren Unterkünften gesucht, berichtet Sozialamtsleiterin Susanne Schulz. »Wir waren im November in einer Notsituation und sind bei den Zuweisungen von Asylbewerben an die Grenzen gestoßen.«

Damals sei die Entscheidung gefallen, das Asyl-Heim in dem Gebäude an der Westerfeldstraße unterzubringen. Dieses hatte die Stadt bei der Bielefelder Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft (BGW) angemietet. Feuerwehr und Immobilienservicebetrieb hätten im Sommer das Gebäude begutachtet und als »grundsätzlich geeignet« eingestuft, sagt Schulz. »Aber uns war von Anfang an klar, dass dieses Flüchtlingsheim eine Notlösung ist.«

[FOTO] In diesem Flüchtlingsheim am Schildescher Kleinbahnhof wohnen bislang 28 allein stehende Männer - unter offenbar desolaten Bedingungen. Jetzt will die Stadt die Situation entschärfen und einige der Flüchtlinge in anderen Wohnungen unterbringen

Ähnliche Probleme auch in Brackwede

Eine Situation, unter der Asylbewerber wie Einheimische gleichermaßen leiden, besteht nach WESTFALEN-BLATT-Informationen auch an der Brackweder Hauptstraße 150: In dem Gebäude mit 20 Eigentumswohnungen soll eine ehemalige Arztpraxis dem Sozialamt zur Unterbringung von zwei Flüchtlingsfamilien mit insgesamt elf Personen überlassen worden sein.

Angeblich wohnen dort aber weitaus mehr Menschen unterschiedlicher Nationalitäten. Die räumliche Enge soll schon oft zu Geruchsbelästigung geführt haben, zumal nicht selten ins Treppenhaus uriniert werde. Außerdem soll die Bausubstanz des Gebäudes beschädigt worden sein. Dem Vernehmen nach hat es dort in diesem Sommer bis zum Monat September 14 Polizeieinsätze gegeben.

Das Sozialamt soll auf mehrere Anschreiben seitens der etablierten Eigentümergemeinschaft nicht reagiert haben. Inzwischen patrouilliert dort ein privater Sicherheitsdienst auf Kosten der Eigentümer. [mp]