Westfalen-Blatt: Albanerin darf zunächstin Bielefeld bleiben
Stadt setzt Abschiebung aus – »humanitäre Ausnahme«
Von Hendrik Uffmann
Bielefeld (WB). Die 18-jährige Albanerin, die heute in ihr Heimatland abgeschoben werden sollte, darf zunächst in Bielefeld bleiben. Das hat Bielefelds Oberbürgermeister Pit Clausen gestern entschieden. Schon gestern Vormittag wurde Filoreta C. aus der Abschiebehaftanstalt Büren entlassen.
Die Stadt hatte beim Bielefelder Amtsgericht die Rücknahme des Abschiebehaftbefehls beantragt, dem sei das Gericht nachgekommen, sagte gestern Amtsgerichtsdirektor Jens Gnisa. Nach den Worten von Volker Flieger, Leiter des zuständigen Bürgeramts, ist Filoreta C. damit zunächst für drei Monate in Deutschland geduldet. »Danach muss dann neu entschieden werden«, so Fliege.
Grund für die Entscheidung, die Abschiebung auszusetzen, sind nach Clausens Worten humanitäre Gründe. »Mir liegen seit heute Morgen aktuelle Informationen vor, nach denen einem Menschen durch die Abschiebung unmittelbarer Schaden droht. Daraufhin haben ich die Notbremse gezogen«, erklärte Clausen gestern Mittag.
Dies sei der alleinige Grund, die Abschiebung der 18-Jährigen auszusetzen. Keine Rolle gespielt hätten hingegen die Proteste, bei denen am Dienstag, wie berichtet, etwa 50 Demonstranten vom Bielefelder »Arbeitskreis Asyl« über Stunden hinweg die Zufahrten zu den Bielefelder Gerichtsgebäuden mit einer Sitzblockade versperrt hatten, um zu verhindern, dass Filoreta C. nach Büren gebracht wurde. Freigegeben hatten diese den Weg erst nach der Zusicherung, dass die Stadt die Durchsetzung des Abschiebehaftbefehls noch einmal prüfen werde.
Wem durch die Abschiebung der 18-Jährigen unmittelbarer Schaden drohe, dazu wollte sich Clausen aus Datenschutzgründen nicht äußern. Stadtsprecher Uwe Borgstädt erklärte, dass ein Gutachten der Ärzte aus dem Evangelischen Krankenhaus Bielefeld vorliege, in dem die kranke Mutter der Albanerin behandelt wird. Über dieses Gutachten habe man sich mit dem städtischen Gesundheitsamt abgestimmt.
Nach den Worten von Kristin Nahrmann vom »Arbeitskreis Asyl«, die Filoreta C. zu ihrer Vertrauensperson bestimmt hat, wird die 18-Jährige von ihrer Mutter als Dolmetscherin gebraucht, da sie als einzige in der Familie auf Englisch mit deren Ärzten sprechen könne. Dass dies der Grund für die Aussetzung der Abschiebung ist, wollte Pit Clausen nicht bestätigen. »Wenn es darum geht, zu dolmetschen, haben wir auch andere Möglichkeiten.«
Die Ausreisepflicht der Eltern und der minderjährigen Brüder, die wie ihre Schwester ein Bielefelder Gymnasium besuchen, ist derzeit aufgrund der Krankheit der Mutter ausgesetzt. Da Filoreta C. jedoch volljährig ist, hatte sie abgeschoben werden sollen.
Der Bielefelder Oberbürgermeister betonte, dass mit der gestrigen Entscheidung kein Präzedenzfall geschaffen worden sei. »Wenn eine Ausreisepflicht rechtskräftig ist, besteht meine Aufgabe darin, diese durchzusetzen.« Nur in ganz engen Grenzen könne wie im jetzigen Fall eine Aussetzung der Abschiebung erfolgen.
Für Kristin Nahrmann ist die Rücknahme des Abschiebehaftbefehls »eine folgerichtige Entscheidung«. Denn der Wegfall der Unterstützung durch die 18-Jährige hätte für deren Mutter eine Verschlechterung der Gesundheit bedeutet. Aber auch Filoreta C. selbst wäre nach ihren Worten bei einer Abschiebung Gefahren ausgesetzt worden. »Sie hat immer mit ihrer Familie zusammengelebt und kennt in Albanien niemanden«, so Kristin Nahrmann.
Dass es zur Abschiebung nach einem abgelehnten Asylantrag komme, sei die »ganz große Ausnahme«, so Bürgeramtsleiter Fliege. »In diesem Jahr gab es in Bielefeld 19 Abschiebungen, der absolut überwiegende Teil davon waren Menschen, die straffällig geworden sind.«
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