17.02.2014

WDR: Gutscheine für Flüchtlinge

Weit verbreitete Praxis in NRW

Von Uwe Pollmann

Viele Asylsuchende bekommen für ihren Lebensunterhalt Gutscheine statt Bargeld. Seit langem protestieren Flüchtlingsgruppen dagegen. Sie sprechen von Diskriminierung und helfen den Flüchtlingen, indem sie die Gutscheine gegen Geld eintauschen.

Andreas und Lena, zwei Studierende, gehen in Verl im Kreis Gütersloh einkaufen - zusammen mit einigen Flüchtlingen aus einem Heim am Rande der Kleinstadt. Die Waren im Einkaufswagen sind aber nicht für die Asylbewerber, sondern für die Studenten und ihre Freunde. An der Kasse bezahlen die Flüchtlinge das mit einigen Lebensmittelgutscheinen und erhalten dafür Bargeld von den Studenten. Einmal pro Woche treffen sie sich hier, sagt Lena Böllinger: "Wir sind der Ansicht, dass dieses Sondersystem für Asylbewerber ein rassistisches System ist. Wir finden, dass dieser behördliche Eingriff in das Leben der Asyl suchenden Menschen unzulässig ist."

 

Einkaufen mit Ausweiskontrolle

Seit einem halben Jahr organisiert Lena Böllinger die Einkaufsaktion. Damals hatte sie für den Bielefelder "Arbeitkreis Asyl" Flüchtlinge in Verl besucht und erfahren, dass Flüchtlinge mit Gutscheinen einkaufen müssen. Das sei für alle eine herabwürdigende Angelegenheit, meint einer der Flüchtlinge, der iranische Journalist Safari Reso. Er beklagt, dass er beim Einkaufen mit einem Gutschein bezahlen und seinen Ausweis zeigen müsse. Das sei ein großes Problem, ergänzt Ahmed Abdel Assis, ein Flüchtling aus Westsahara: "Wir müssen die Gutscheine jede Woche im Rathaus abholen. Letzte Woche war ich aber weg. Die Gutscheine habe ich später nicht mehr erhalten."

Schwierig an den 10- oder 15-Euro-Gutscheinen ist für Lena Böllinger aber vor allem: "...dass es erstens kein Wechselgeld gibt. Also auf dem Gutschein wird explizit vermerkt, Wechselgeld dürfe nur 10 Prozent des Einkaufswertes sein – maximal 2,50 Euro pro Einkauf. Das zweite Problem ist, dass die Gutscheine nicht übertragbar sind." Außerdem hält das Bezahlen mit Gutscheinen nicht selten den Verkehr an den Kassen in den Verler Supermärkten auf. Denn die Kassiererinnen prüfen Gutscheine und Ausweise genau. Und bezahlen kann man mit diesen Lebensmittelbons auch nicht alles.

Gutscheine nur eingeschränkt nutzbar

Durch die Gutscheine werden weder die Kosten für einen Anwalt gedeckt, noch können Flüchtlinge damit auf dem Wochenmarkt oder in irgendwelche Kleidergeschäften einkaufen. Ganz wichtig: auch der öffentliche Personennahverkehr wird nicht abgedeckt.

Wie in Verl werden auch in anderen Städten des Landes noch immer Gutscheine statt Bargeld an Asylbewerber verteilt, sagt Birgit Naujoks vom NRW-Flüchtlingsrat: "Es sind ungefähr 20 Kommunen, die noch die Gutscheinpraxis erhalten. Und daneben gibt’s sogar noch ein Shopsystem. Das heißt, in den Flüchtlingsunterkünften ist ein Laden, der nur für Flüchtlinge ist und der ein- oder zweimal pro Woche besucht werden kann, um die notwendigen Lebensmittel einzukaufen."

Der Landesflüchtlingsrat protestiert seit langem gegen solche Praktiken und wirft Kommunen vor, sie wollten damit Flüchtlinge abschrecken, und das sogar mit Zusatzkosten. Das scheint zu stimmen, denn in Münster wurde das Gutschein-System vor einigen Jahren abgeschafft, weil der Aufwand zu teuer war. Auch Duisburg ist dem kürzlich gefolgt.

Verl will Gutscheine abschaffen

Und ebenso scheint das jetzt in Verl im Kreis Gütersloh zu geschehen. Der erste Beigeordnete der Stadt, Heribert Schönauer, will das System im März abschaffen: "Die Gründe sind zum einen, dass wir die Integration der betroffenen Personen in die Gemeinschaft optimieren möchten. Außerdem wollen wir die Verwaltung, die dahinter hängt – sowohl für den Einzelhandel, als auch für die Stadtverwaltung – verschlanken. Indem wir die Abrechnung der Gutscheine einfach wegfallen lassen können."

Für die ehrenamtlichen Mitarbeiter vom Bielefelder Arbeitskreis Asyl fallen dann die Einkaufstouren mit den Flüchtlingen in Verl weg. Denn die Asylbewerber können statt mit Gutscheinen endlich mit Bargeld bezahlen.

[FOTO] Bezahlen bisher nur mit Gutscheinen

[FOTO] Hier soll es bald keine Gutscheine mehr geben