Neue Westfälische: Zum Dinner Döner und Falafel
Bielefelder Studenten organisieren gemeinsames Essen mit jungen Flüchtlingen
VON FLORIAN GONTEK
Bielefeld. Geld ist bei Studenten notorisch knapp. "Warum nicht einfach Zeit spenden?", dachte sich Luca Hessel und wurde kreativ. Der 21-jährige Sozialwissenschaftsstudent der Universität Bielefeld hatte mit seinen WG-Mitbewohnern Helen Kasper (18) und Marvin Strömer (22) dabei eine besondere Idee: Gemeinsames Döner-Essen mit jungen Flüchtlingen, finanziert durch Spenden der Studenten.
19 weitere Kommilitonen und Freunde hatten sie bei ihrem Besuch in der Oldentruper Clearingstelle "Kap 10" im Schlepptau - ein Dinner der besonderen Art.
Beim Kickern ist Halbzeit. Auch der Jenga-Turm wird kurz stehengelassen. Im "Kap 10" freut man sich über eine Großlieferung an Dönern - und Falafel für die, die kein Fleisch essen. So wie Saliou (17) zum Beispiel, der aus Gambia kommt, und eigentlich anders heißt. "Das ist großartig ", findet er.
Vorher hat er einigen der Studenten auf der Karte im Aufenthaltsraum der Clearingstellte an der Bunzlauer Straße gezeigt, wo Gambia denn eigentlich genau liegt, die Republik Westafrikas, aus der er vor einigen Monaten nach Bielefeld kam. Über seine Vergangenheit erzählt er dabei nur kurz. Für ihn zählt das Jetzt: "Bielefeld ist wunderbar, hier ist es schön und ich würde am liebsten in Deutschland bleiben."
Auch Aram (16) - es ist nicht sein richtiger Name - würde am liebsten nie mehr raus aus Ostwestfalen und schnellstmöglich dahin, wo die jungen Leute herkommen, die heute mit ihm kickern oder gemeinsam "Vier gewinnt" spielen. "Ich möchte meinem Vater nacheifern, an der Universität studieren und Arzt werden", erzählt er.
Seit vier Monaten ist der junge Syrer, der in einem Transporter gemeinsam mit seiner Schwester aus Kurdistan nach Deutschland kam, im "Kap 10". "Ich treffe viele Freunde, die Menschen hier sind einfach gut für mich", erzählt in erstaunlichem Deutsch, bevor er später lieber doch ins Englische wechselt. Sein Vater, erzählt Aram, wollte für ihn und seine Schwester ein besseres Leben. In Syrien plagte sie der Krieg und die Armut, in Kurdistan, wo er vor seiner Flucht nach Deutschland knapp zwei Jahre lebte, verbreitet der IS Terror. Klar vermisse er seine Familie und auch seine Schwester, die in einem Bielefelder Mädchenhaus untergebracht sei. "Gerade jetzt zu Weihnachten", sagt er. "Dennoch muss ich glücklich sein", sagt Aram, "die Menschen hier machen mich froh."
Im vor etwas mehr als drei Jahren eröffneten "Kap 10" hört man das gerne. Die Clearingstelle der von-Laer-Stiftung ist erster Begleiter für minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge (UMF), die ohne ihre Eltern oder sorgeberechtigte Begleitung außerhalb ihres Herkunftslandes Schutz und Obhut suchen. Das Kap 10 - der Name ist angelehnt an die Klippen nahe der Südspitze Afrikas - nimmt die Jugendlichen "etwa drei bis vier Monate" auf, erklärt Diplompädagogin Diana Grandi. Man hilft bei Behördengängen oder der anschließenden Wohnungssuche. Momentan leben 18 Jungen aus zehn verschiedenen Nationalitäten hier - und man versteht sich gut, teilt sich die Zimmer, putzt gemeinsam.
So geht es auch am Kicker- oder Essenstisch sehr harmonisch zu, und es ergeben sich zwischen den jungen Leuten Gespräche über Fußball, Kultur oder die Eigenartigkeit deutscher Vornamen. "Es ist toll, dass sie heute hier sind", sagt Aram. Und die Studenten kommen gerne wieder.
Einmalig soll der Besuch - geht es nach Luca Hessel - der auch "Plan" und "Amnesty International" unterstützt - nämlich nicht sein. "Ich habe vor allem gemerkt, wie einfach es ist, so etwas auf die Beine zu stellen", sagt der Student. Manchmal braucht es eben nur ein wenig Zeit.
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