22.07.2015

Neue Westfälische: Protest für junge Albanerin vor Amtsgericht

Zeitungsausschnitt

Lokales Bielefeld - Seite 15

Gegen die Abschiebung einer 18-Jährigen wehrt sich der Arbeitskreis Asyl / Junge Frau versorgt kranke Mutter

von Melanie Wigger

Mitte. Aus einem Abschiebeverfahren wurde gestern ein Kräftemessen zwischen Polizei und 50 Demonstranten. Vor dem Amtsgericht Bielefeld blockierten sie über Stunden die Ausfahrten, um eine junge Albanerin aus ihrer Haft zu befreien. Die 18-Jährige muss zwei Tage in die Abschiebehaft in Büren, bevor sie am morgigen Donnerstag ausreisen soll. Der Arbeitskreis Asyl rief zu einem Protest dagegen auf, um die albanische Familie, die erst seit März in Altenhagen lebt, nicht zu entzweien.

Von einem "unmenschlichen" Verfahren" spricht Kristin Nahrmann vom Arbeitskreis Asyl. Sie unterstützt die Albanerin seit drei Monaten im Streit mit den Behörden. Schon kurz nach ihrer Einreise im März drohte die Trennung von ihrer Familie.

Nahrmann erklärt, dass eine Ausreise für die Albanerin momentan unzumutbar sei. Ihre Mutter ist seit einigen Wochen im Krankenhaus. Deren Zustand sei kritisch. Die Tochter übersetze die Gespräche mit den Ärzten und kümmere sich um ihre Geschwister. Nahrmann: "Die Frau will Deutschland auf keinen Fall verlassen, damit sie weiterhin ihre Mutter besuchen kann."

Zwar ist die Familie zusammen geflohen, doch ein gemeinsames Asyl gebe es nicht, erläutert Nahrmann. Die beiden Brüder konnten ihr Asyl vorläufig behalten, weil sie minderjährig sind. Die Eltern bekommen durch ihre Kinder ebenfalls Asyl. Der Antrag für die 18-Jährige wurde abgelehnt. Sie gilt mit ihrer Volljährigkeit als einzelne Antragstellerin. Da Albanien als Land der Wirtschaftsflucht gilt, hat sie es allerdings schwer, in Deutschland anerkannt zu werden. Hier bekommt man das Asylrecht nur für lebensbedrohliche Situationen, die Albanerin allerdings ist kein Armutsflüchtling.

Gegen die Abschiebung klagte die Albanerin im Mai vor dem Verwaltungsgericht Minden. Ohne Erfolg. "Seitdem ist sie ausreisepflichtig", erläutert Amtsgerichtsleiter Jens Gnisa. Zwei Wochen später wurde sie ein weiteres Mal darauf hingewiesen. Anfang Juni sagte sie vor der Ausländerbehörde aus, dass sie nur unter Zwang ausreisen werde. Auf diese Aussage beriefen sich die Richter des Amtsgerichts, als sie sich für eine Haft zum Überbrücken der zwei verbleibenden Tage in Deutschland entschieden. Eine Abschiebehaft komme selten vor, sagt Gnisa: "Das ist der erste Fall in meiner dreijährigen Amtszeit." Ungerecht, sagt Nahrmann. Die Abschiebehaft sei eine Maßnahme, um Kriminelle von der Flucht abzuhalten und in diesem Fall nicht gerechtfertigt.

Ausschlaggebend sei laut Gnisa ein verstrichener Abschiebetermin, der für den 26. Juni angesetzt wurde. Die Frau hatte ihre Mutter ins Krankenhaus begleitet. Doch durch ihre strikte Ablehnung einer Ausreise habe sich die Albanerin unglaubwürdig gemacht. Ein Fluchtversuch lag nahe.

An dem Urteil ändere ein Protest nichts. Hingegen provoziere er Gefahrensituationen. "Die Demonstranten bewegen sich in einem strafbaren Bereich, wenn sie die Vollziehung verhindern." Um eine polizeiliche Räumung zu verhindern, suchte er das Gespräch. Auch die Polizisten verhandelten in einem siebenstündigen Einsatz immer wieder mit den Vertretern des Arbeitskreises. Mehrere Anläufe, die Inhaftierte in unterschiedlichen Fahrzeugen herauszuschleusen, scheiterten.

Gegen 20 Uhr einigte man sich auf einen Aufschub. Zwar muss die 18-Jährige vorläufig nach Büren, doch werde man die Verhandlung mit der Ausländerbehörde heute fortsetzen, sagt Arbeitskreis-Sprecherin Sophia Stockmann. Der Gerichtsbeschluss lasse sich nicht ändern, aber die Ausländerbehörde könne den Abschiebeantrag noch zurücknehmen.