Neue Westfälische: Kriegs-Flüchtlinge bekämpfen sich in Heimen
Übergriffe sind an der Tagesordnung / Polizei ist machtlos
Von Hubertus Gärtner
Bielefeld. Die Situation in den Flüchtlingsheimen in NRW bleibt angespannt. Weil hier oft Menschen aufeinandertreffen, die in ihrer Heimat wegen ethnischer, politischer oder religiöser Konflikte verfeindet waren, kommt es nach Recherchen dieser Zeitung in den Unterkünften in OWL immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen. Nicht alle dringen an die Öffentlichkeit.
"Es ist uns bekannt, dass es unter den Flüchtlingen zu Übergriffen kommt", sagt Antonia Kreul. Sie ist Sprecherin des Flüchtlingsrates NRW und hat deshalb einen guten Überblick über die aktuelle Situation. Das Konfliktpotenzial zwischen den Religionsgemeinschaften und Ethnien sei enorm groß. Hinzu kämen mannigfache "Diskriminierungen" und Übergriffe zwischen den Geschlechtern. "Natürlich gibt es häufig Reibereien", sagt auch Wolfgang Groß. Zusammen mit anderen engagierten Bürgern hat er den Arbeitskreis Asyl in Steinhagen gegründet, um im Flüchtlingsheim vor Ort zu beraten und zu helfen. "Es kommt immer wieder vor, dass wir als Streitschlichter agieren müssen", sagt Groß.
Die Auseinandersetzungen würden sich oftmals "an Kleinigkeiten entzünden", sagt der Flüchtlingsberater Frank Gockel aus Detmold. Die unterschiedlichen kulturellen Gewohnheiten und Bedürfnisse seien auf engstem Raum nicht unter einen Hut zu bringen. Wenn Jesiden, Christen und Moslems plötzlich zusammenleben müssten, seien Streitereien programmiert. Wenn Schweinefleisch in einem gemeinsam benutzten Kühlschrank deponiert werde, werde das dann schnell zu einem ernsten Problem. Konflikte gebe es aber auch durch Kriminelle, Drogenabhängige oder weil etliche Menschen mit psychischen Erkrankungen, zum Beispiel Traumata, in den Flüchtlingsunterkünften leben.
"Wenn Gegner aus einem Bürgerkrieg plötzlich Tür an Tür wohnen", dann sei "Gefahr im Verzug", sagt Stephan Hegger, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei in NRW. Für die Beamten sei das "eine undankbare Situation". Täter lassen sich kaum ermitteln, allein schon wegen der Verständigungsprobleme.
Anba Damian aus Höxter, Generalbischof der koptisch-orthodoxen Kirche, kennt die Probleme. Er fordert, Flüchtlingsheime nach Religionen und Ethnien getrennt einzurichten.
Doch das ist wegen des hohen Zustroms derzeit kaum möglich. Das Land NRW und die für die Verteilung der Flüchtlinge zuständige Bezirksregierung Arnsberg sind froh, wenn sie überhaupt Sammelunterkünfte finden. Die Zahl der Mitarbeiter, die dort als Ansprechpartner arbeiten, wurde aufgestockt. "Unsere Leute versuchen, deeskalierend zu wirken", sagt Christian Chmel-Menges, Sprecher der Arnsberger Bezirksregierung.
Viele Konflikte unter den Flüchtlingen würden erst aufbrechen, wenn sie etwas länger hier seien und sich in den Sammelunterkünften der Kommunen befinden, sagt Flüchtlingsberater Gockel. Er plädiert deshalb dafür, dass den Betroffenen schneller erlaubt werden müsse, sich selbst eine Mietwohnung zu suchen. Einige Kommunen verfolgen bereits dieses dezentrale Konzept. Weil Vermieter aber teils Vorbehalte haben, ist es nicht so einfach zu realisieren.
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