Neue Westfälische: Hochsicherheitstrakt soll human werden
Das Land NRW macht die ehemalige JVA Büren wieder zur zentralen Abschiebungseinrichtung
Von Hubertus Gärtner und Florian Pfitzner
Büren. Mit den Stimmen von SPD und Grünen hat der Düsseldorfer Landtag ein Abschiebungshaftvollzugsgesetz für NRW verabschiedet. Ab sofort dürfen in der ehemaligen Justizvollzugsanstalt Büren im Kreis Paderborn wieder Abschiebungshäftlinge untergebracht werden. Abschiebungshaft könne in einem Rechtsstaat nur das letzte Mittel ("Ultima Ratio") sein, betont NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Man wolle den Vollzug in Büren "so human wie möglich gestalten" und "den allgemeinen Lebensverhältnissen angleichen".
Wie kann das praktisch geschehen? Die in einem einsamen Waldstück gelegene Einrichtung wirkt immer noch wie ein Hochsicherheitstrakt. Dafür sorgt schon eine unüberwindbare Betonwand, die alle Haftgebäude und die Menschen dort einschließt. Derzeit sind alle Schilder und Hinweise demontiert. Das sorgt zusätzlich für eine gespenstige Atmosphäre. Der frühere JVA-Leiter Udo Wehrmeier, eigentlich ein freundlicher Herr, ist für die Presse nicht zu sprechen. Er müsse "die Übergabe für den kommenden Montag vorbereiten", heißt es an der Pforte.
Die ersten Abschiebungshäftlinge sollen Mitte Mai wieder nach Büren kommen. Die "Belegungszahl" werde sich "in der Anfangsphase sukzessive in Richtung 40 bis 50 Personen entwickeln", teilte ein Sprecher des Innenministeriums auf Anfrage mit. 100 Plätze seien vorgesehen. Die zukünftige Personalausstattung werde den besonderen Anforderungen in der Abschiebungshaft Rechnung tragen. "Zu Beginn der Betriebsphase werden etwa 50 staatlich Beschäftigte im Schichtdienst tätig sein." Hinzu kommen Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes.
Vor 20 Jahren hatte das Land NRW die ehemalige NATO-Kaserne im Wald "Stöckerbusch" bei Büren zu einem Großgefängnis ausgebaut. Platz war für 384 Abschiebehäftlinge und für 151 gewöhnliche Strafgefangene. Als im letzten Jahr der Europäische Gerichtshof entschied, dass Abschiebehäftlinge nicht in einem gewöhnlichen Gefängnis, zusammen mit Strafgefangenen, sondern nur in speziellen, offeneren Einrichtungen untergebracht werden dürfen, war das Ende der Justizvollzugsanstalt Büren besiegelt. Alle Strafgefangenen wurden verlegt, die letzten etwa 20 noch verbliebenen Abschiebehäftlinge nach Berlin und Eisenhüttenstadt gebracht. Rund 150 Mitarbeiter der JVA wurden von der Arbeit freigestellt oder versetzt.
Nun heißt es "Kommando zurück". "Das Land NRW benötigt eine zentrale Einrichtung für Abschiebungshäftlinge", sagt der Sprecher des Innenministeriums. Der Flüchtlingsrat NRW zweifelt die Legitimität der Abschiebungshaft hingegen an. Das Instrument diene allein dazu, die sogenannte Rücküberstellung für die beteiligten Behörden zu erleichtern, sagt Geschäftsführerin Birgit Naujoks. "Es werden Menschen eingesperrt, die keine Straftat begangen haben, sondern denen unterstellt wird, sie würden sich durch Untertauchen einer Abschiebung entziehen und sich dann womöglich des illegalen Aufenthalts schuldig machen." Naujoks erinnert an die Aussagen des Innenministers, nach denen mehr als 90 Prozent der ausreisepflichtigen Menschen das Land freiwillig verlassen.
Der Flüchtlingsrat hält die ehemalige JVA Büren als zentrale Abschiebungshaftanstalt für ungeeignet. Naujoks sieht "erhebliche Probleme", schon allein die baulichen Voraussetzungen, die Mauern und die Gitter vor den Fenstern "stehen einem ordnungsgemäßen Vollzug von Abschiebungshaft entgegen". "Wir werden dagegen klagen", kündigte Frank Gockel, Sprecher der Arbeitsgruppe Abschiebungshaft im Bielefelder Arbeitskreis Asyl, an. Das Land NRW sieht in dem jetzt mit heißer Nadel gestrickten Gesetz eine bis Ende 2015 befristete Übergangsregelung. Die genaue Ausgestaltung solle dann in einem gesonderten Gesetzgebungsverfahren erfolgen.
Der CDU-Abgeordnete Daniel Sieveke hält die Abschiebehaft für ein "notwendiges Mittel". Denn die Adressaten seien Menschen, "die illegal eingereist sind und denen nach gründlicher Prüfung kein Bleiberecht zusteht". Die CDU habe sich bei der parlamentarischen Abstimmung enthalten, weil Sachverständige erhebliche Zweifel an der Europa- und Verfassungsrechtskonformität des Gesetzes geäußert hätten, erklärte der CDU-Innenexperte Theo Kruse.
Die Flüchtlingsexpertin der Grünen im Landtag, Monika Düker, sagte, Freiheitsentzug kenne ein Rechtsstaat eigentlich nur im Zusammenhang mit Straftaten. "Ausreisepflichtig zu sein und der Verdacht, sich der Abschiebung entziehen zu wollen, reichen aber bei einem Flüchtling aus, um hinter Gitter zu kommen." Düker sieht daher einen "Zwei-Klassen-Rechtsstaat". Für eine entsprechende Gesetzesänderung fehle derzeit jedoch sowohl im Bundesrat als auch im Bundestag eine Stimmenmehrheit. "Deshalb müssen wir als Land richterlich angeordnete Haft vollstrecken." "Nur ein sehr kleiner Teil der ausreisepflichtigen Personen wird tatsächlich in Abschiebehaft genommen", betont auch der rechtspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Dirk Wedel. Er bewertet den Freiheitsentzug wie der Innenminister als "Ultima Ratio".
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