23.12.2014

Neue Westfälische: Flüchtlingshilfe im eigenen Haus

Zeitungsausschnitt

Lokales Herford - Seite 11

Die Stadt sucht Wohnungen: Winfried Eisenberg hat eine Familie aus Afghanistan aufgenommen

VON JOBST LÜDEKING

Herford. Amir und Ari ziehen ihre grauen Teddys aus den beiden Tüten mit Schokolade, die ihnen eine Nachbarin als Weihnachtsgeschenk vorbeigebracht hat. Die Brüder, gerade mal zweieinhalb und anderthalb Jahre jung, sind mit ihren Eltern - Vater Hamid Azimi (43) und ihrer Mutter Shafiga (25) - aus Afghanistan geflohen und leben jetzt in Herford. Die Familie gehört zu den Wenigen, die die Stadt Herford bisher in einer privaten Mietwohnung unterbringen konnte.

"Ich hatte von dem Appell der Verwaltung gehört, die Wohnungen für die Menschen suchte", berichtet Winfried Eisenberg. Er selbst engagiert sich seit Jahren in der Flüchtlingsarbeit und favorisiert deshalb - wie die Stadt - die dezentrale Unterbringung der Menschen in Wohnungen statt in Heimen.

Die meisten Menschen sind in den Wohnungen der WWS (Wohn- und Wirtschaftsservice) einquartiert, berichtet der Kinderarzt, der bis 2002 die Kinderklinik am Klinikum Herford leitete.

Er selbst hat nun den ersten Stock in seinem Haus in eine separate Wohnung verwandelt und teils sogar umgebaut. "Ich habe jetzt noch das Erdgeschoss und auf halber Treppe ein Gästezimmer für mich", so der Mediziner. Die Möblierung für die neue Wohnung sei teils vorhanden gewesen, teils von der Stadt ergänzt worden. "Ich konnte auch Wünsche äußern und habe mich mit der Stadt abgestimmt", beschreibt Eisenberg den Weg zu seinen Mitbewohnern. Störungen gebe es nicht und das Kindergetrappel mache ihm nichts aus, sagt der Herforder.

Und wenn es doch mal Probleme geben sollte? "Ansprechpartner für die Mieter aber auch für die Vermieter bei möglichen Problemen sind wir. Wir sind auch die Vertragspartner bei der Anmietung", erklärt Jürgen Nienaber, Leiter der Herforder Ausländerbehörde. Sie sucht nach wie vor weitere private Wohnungseigentümer, die Raum für Flüchtlinge zur Verfügung stellen.

"Es ist ein sehr angenehmes Gefühl. Es sind überaus liebenswerte Menschen, die sich integrieren wollen. Einziges Problem ist derzeit noch die Verständigung", schildert Eisenberg seine Erfahrungen. "Für die Familie, die zunächst verunsichert war, ist jetzt Ruhe eingekehrt. Es ist wichtig, dass sich das Bewusstsein einstellt, dass sie hier sicher sind."

Die Familie, die bei ihm eingezogen ist, stammt aus dem Bezirk um die Stadt Masar-I-Sharif im Norden Afghanistans, wo auch die Bundeswehr stationiert war.

"Meine Frau sollte zwangsverheiratet werden", sagt der 43-Jährige über den Beginn einer Entwicklung, an deren Ende schließlich akute Lebensgefahr für alle vier bestand. Er selbst hatte nach dem Abitur einen kleinen Laden betrieben, den er aber aufgeben musste, berichtet der Familienvater.

Ein befreundeter Dolmetscher übersetzt. Der Landsmann, der vor 18 Jahren nach Deutschland flüchten musste und den die Familie bei einem Einkauf im Supermarkt zufällig kennenlernte, übersetzte auch einfache Dinge: Wie die Heizung geregelt oder wie die Waschmaschine bedient wird. Darüber hinaus läuft die Verständigung auch über Zeichensprache.

"Wir sind froh, dass wir in Sicherheit sind", sagt Hamid Azimi. Nun läuft für die Familie aber das Asylverfahren an. Die vier erhalten derweil viele neue Eindrücke in Herford.

"Wir werden das erste Mal Weihnachten kennenlernen und Silvester." Die Nachbarin hat wohl auch deshalb an die passende Weihnachtsmannmütze der Teddys von Amir und Ari gedacht.