Neue Westfälische: Christen in OWL verteidigen Kirchenasyl gegen den Staat
Bundesamt plant verschärfte Regeln für Betroffene / Zuständigkeit fraglich
VON BJÖRN PRÜSSNER
Bielefeld. Mit seinem Vorwurf, Kirchengemeinden in Deutschland missbrauchten in "Hunderten Fällen" das Kirchenasyl, hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) auch in OWL für Empörung gesorgt. Vertreter beider christlichen Konfessionen betonten, Flüchtlinge würden nicht versteckt. Dennoch plant das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verschärfte Regelungen.
De Maizière hatte das kirchliche Asyl in die Nähe zur Scharia gerückt, die als "eine Art Gesetz für Muslime" auch nicht über deutschen Gesetzen stehen dürfe, so der Bundesinnenminister. Das ist nach Ansicht von Kirchenvertretern aus OWL auch nicht der Fall. "Die Behörden werden von uns immer informiert", sagte der Sozialpfarrer des Evangelischen Kirchenkreises Bielefeld, Matthias Blomeier. "Diese Transparenz führt zu einer guten Zusammenarbeit."
Blomeier ist zurzeit für zwei Personen zuständig, denen Kirchenasyl gewährt wurde. Dabei handelt es sich um eine zeitlich befristete Aufnahme von Flüchtlingen ohne legalen Aufenthaltsstatus. Es geht um Härtefälle, also um Menschen, die ausgewiesen werden sollen, denen in der Heimat oder dem europäischen Land, das sie nach der Flucht zuerst betreten haben, Gefahr für Leib und Leben droht. Für sie ist das Kirchenasyl oft die letzte Chance.
Nach Angaben der ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche" gibt es gegenwärtig 200 Fälle mit mindestens 359 Personen deutschlandweit, darunter 109 Kinder. Die Evangelische Kirche von Westfalen spricht von aktuell 19 Fällen von Kirchenasyl. Blomeier ist sich der Rückendeckung seiner Dienstherren sicher. Der Evangelische Kirchenkreis Bielefeld stelle eine Wohnung und Betreuung zur Verfügung. Seit 20 Jahren engagiere sich außerdem das ökumenische Netzwerk zum Schutz von Flüchtlingen.
Im katholischen Erzbistum Paderborn ist derzeit laut Pressesprecher Ägidius Engel kein Fall von Kirchenasyl bekannt. "Die Gemeindevorstände entscheiden selbstständig, ob sie Kirchenasyl gewähren." Auch Engel betont, es sei ein "absolutes Muss", mit den Behörden zusammenzuarbeiten. Es solle kein rechtsfreier Raum geschaffen, sondern der besonderen Notlage der Menschen Rechnung getragen werden, denen das Asylrecht nicht gerecht werde. "Das ist ein Uranliegen der Kirche und eine Verpflichtung, der wir uns zu stellen haben."
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge will die Bedingungen für die Betroffenen verschärfen, sie als flüchtig einstufen. Behörden sollen 18 statt 6 Monate Zeit bekommen, Flüchtlinge auszuweisen. Sobald vonseiten der Kirche mit staatlichen Organen zusammengearbeitet werde, "kann aber keine Rede mehr von flüchtig sein", stellt Ägidius Engel klar. Er verweist außerdem darauf, dass die Zuständigkeit bei den Kommunen und dem Land, nicht dem Bund liege.
Matthias Blomeier zufolge hat das Kirchenasyl eine hohe Erfolgsquote. 80 bis 90 Prozent der Betroffenen werde später das Bleiberecht gewährt, auch wenn im ersten Asylverfahren anders entschieden worden sei. Auch er spricht sich gegen die Ministeriumspläne aus. "Alle Personen im Kirchenasyl würden zu Illegalen. Aber kein Mensch ist illegal."
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