Neue Westfälische: Belastendes Gutachten für Büren
Plan für Abschiebehaft in ehemaliger JVA laut Expertin rechtswidrig
VON NICOLE HILLE-PRIEBE
Büren. 257 Tage sind vergangen, seitdem ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Schließung der Abschiebehaftanstalt Büren geführt hat. Jetzt steht die Einrichtung kurz vor der Wiedereröffnung, die von der Landesregierung bereits für diesen Monat geplant war. Doch ein Gutachten, das am 14. April im Innenausschuss des Landtags gehört wird, könnte diesen Plänen einen Strich durch die Rechnung machen.
Während in Düsseldorf die Parteien streiten, ist in Büren nicht viel passiert. Zwar wurden alle Gefangenen und die meisten Justizvollzugsbeamten verlegt, aber die Verträge mit dem privaten Sicherheitsdienst konnte man nicht so ohne weiteres kündigen - sie bewachen jetzt ein Gefängnis ohne Gefangene, heißt es.
Äußerlich hat sich an dem Gefängnischarakter der ehemaligen Justizvollzugsanstalt (JVA) dagegen so gut wie nichts geändert. Weil die Fenstergitter an den Hafthäusern aus Sicherheitsgründen fest mit dem Stahlbeton verbunden sind, wird sich das wohl auch nicht so einfach zurückbauen lassen.
Trotzdem sollen bereits in wenigen Wochen wieder die ersten Häftlinge aus ganz NRW in Büren auf ihre Abschiebung warten. Geht es nach Innenminister Ralf Jäger, wird ein provisorisches Gesetz die rechtliche Grundlage und die Bedingungen der Abschiebehaft vorläufig regeln. Zuständig ist jetzt nicht mehr das Justiz-, sondern das Innenministerium. Die Aufsichtspflicht hat die Bezirksregierung Detmold.
Jägers juristischer "Platzhalter" mit eingebautem Verfallsdatum zum Jahresende stößt nicht nur bei der Opposition auf Kritik, sondern auch bei Hilfsorganisationen wie der Bielefelder AG Abschiebehaft im Arbeitskreis Asyl. "Wir prüfen eine Klage", sagt Frank Gockel. "Die Gitter müssen weg, so hat das Verwaltungsgericht Frankfurt geurteilt. Das Gebäude muss anders gestaltet werden."
Die Sachverständige Christine M. Graebsch von der Fachhochschule Dortmund kommt in ihrem Gutachten zu einem eindeutigen Urteil: "Hier wird offensichtlich bewusst eine verfassungswidrige Regelung getroffen, um einem gefühlten praktischen Bedarf entgegenzukommen", heißt es in ihrer Stellungnahme, die dieser Zeitung schriftlich vorliegt.
Schon aus der geplanten Unterbringung in derselben Anstalt wie zuvor gehe hervor, dass die europarechtlichen Anforderungen nicht erfüllt werden. Weil Büren als reines Abschiebegefängnis wiedereröffnen soll, werde zwar dem Trennungsgebot zwischen Abschiebe- und Strafgefangenen Rechnung getragen, "nicht aber dem Abstandsgebot, das eine Art der Unterbringung erfordert, die sich substanziell vom Strafvollzug unterscheidet".
Graebsch ist Leiterin des Dortmunder Strafvollzugsarchivs und die einzige Sachverständige, die mit einem Gutachten beauftragt wurde. Sie kritisiert, dass auch das neue Übergangsgesetz zur Abschiebehaft ausdrücklich Bezug auf das Strafvollzugsgesetz nimmt, obwohl diese Bereiche ebenfalls voneinander getrennt werden sollen.
Sie kommt zu dem Schluss, dass der Gesetzesentwurf verfassungs- und europarechtswidrig sei. Stattdessen solle man die Abschiebehaft in NRW bis zum 31. Dezember 2015 aussetzen und die Ausländerbehörden anweisen, auf Haftanträge zu verzichten.
Frank Gockel macht sich aber keine großen Hoffnungen, dass die Landesregierung dieser Empfehlung folgt. "Die wollen Fakten schaffen und riskieren einfach, dass diese Praxis der Abschiebehaft vom Bundesgerichtshof kassiert wird."
- Links:
- www.nw.de