03.06.2014

Neue Westfälische: Asylpolitik der Stadt in der Kritik

Zeitungsausschnitt

Seite 9 - Lokales Verl

Flüchtlinge sollen unfreiwillig Arbeiten verrichten

Verl (lina). Für einen besonders restriktiven Umgang mit lokal untergebrachten Flüchtlingen seien insbesondere Verl und Harsewinkel bekannt, erhoben der Arbeitskreis (AK) Asyl in Bielefeld sowie das Bündnis "move and resist" in Bielefeld jetzt Vorwürfe gegen diese beiden Kommunen des Kreises Gütersloh. Vor gut einer Woche hatten sie eine Demonstration "für gerechte Asylpolitik" nicht ganz zufällig in der Gütersloher Innenstadt veranstaltet. Die Stadtverwaltung Verl weist die Vorwürfe allerdings entschieden zurück.

"Wir haben direkten Kontakt zu Geflüchteten, die unter anderem in den Unterkünften der Stadt Verl untergebracht sind", berichtet ein Sprecher des Bündnisses "move and resist", der namentlich nicht genannt werden möchte. Die Flüchtlinge hätten berichtet, dass sie in Verl zu so genannten "Arbeitsgelegenheiten" herangezogen worden seien, bei denen sie für 1,05 Euro pro Stunde zum Beispiel hätten Unkraut jäten oder putzen müssen. Hätten sie sich geweigert, diese Arbeiten auszuführen, seien von den zuständigen Behörden Kürzungen ihrer Sozialleistungen vorgenommen worden. "Das ist für uns die pure Ausbeutung, und solche Vorgehensweisen wollen wir nicht dulden", so der Bündnis-Sprecher.

Sieben Asylbewerber nehmen derzeit in Verl so genannte Arbeitsgelegenheiten für die gesetzlich vorgeschriebene Aufwandsentschädigung von 1,05 Euro pro Stunde wahr. Das Asylbewerberleistungsgesetz sieht die Aufwandsentschädigung in dieser Höhe vor und erlaubt es ausdrücklich, dass Leistungsbezieher Arbeitsgelegenheiten wahrnehmen dürfen – darauf bezieht sich die Stadtverwaltung.

"Wir nehmen diese Möglichkeit, den Flüchtlingen Arbeitsgelegenheiten anzubieten, ganz bewusst wahr", betont der Erste Beigeordnete der Stadt Verl, Heribert Schönauer. "Wir sehen hier eine gute Möglichkeit, diese Menschen, die zum Teil mehrere Monate oder auch Jahre auf eine Entscheidung in Sachen Asylbewerbung warten, hier zu integrieren."

Die Nachfrage von Seiten der Flüchtlinge nach den so genannten Arbeitsgelegenheiten sei groß, so der Erste Beigeordnete weiter. "Wir haben da mittlerweile eine richtige Warteliste. Viele dieser Menschen sehnen sich danach, etwas zu tun und ihren Alltag durch eine Tätigkeit etwas mehr strukturieren zu können."

Diese Darstellung widerspricht den Informationen des AK Asyl und des Bündnisses "move and resist". "Einige Flüchtlinge haben uns berichtet, dass sie nicht gefragt worden seien, ob sie arbeiten wollen, sondern gezwungen worden seien", weiß der Bündnis-Sprecher zu berichten. Dass Geflüchtete – wie gesetzlich vorgeschrieben – lediglich freiwillig Arbeitsgelegenheiten wahrnehmen könnten, habe dabei gute Gründe. "Viele dieser geflüchteten Menschen sind traumatisiert und gar nicht in der Lage zu arbeiten."

Es sei richtig, dass einem oder zwei Asylbewerbern "nahe gelegt worden" sei, eine Arbeitsgelegenheit wahrzunehmen, sagte Heribert Schönauer und begründet diese Vorgehensweise: "Das haben wir jedoch nur aus besonderen Einzelfallbezogenen Gründen getan." Welchen Menschen Arbeitsgelegenheiten angeboten worden seien, sei zudem im Vorfeld durch die Sachbearbeiter sehr genau ausgewählt worden. "Uns sind die Geschichten und aktuellen Lebensumstände der Menschen sehr wohl bekannt, und wir haben ausschließlich gesunden, arbeitsfähigen Menschen dieses Angebot gemacht."

Das Bündnis "move and resist" sowie der Arbeitskreis Asyl streben in naher Zukunft noch einmal Gespräche mit der Verler Stadtverwaltung an. "Dazu stehen wir natürlich zur Verfügung", so Heribert Scönauer. "Obwohl unsere ersten Ansprechpartner immer die Betroffenen sind und nicht der Arbeitskreis."

[FOTO] Demo Ende Mai in Gütersloh | FOTO: MOVE AND RESIST