01.08.2014

HuK-Info: Angefeindet und diskriminiert wegen Homosexualität im Heimatland – nicht geglaubt und abgeschoben im Zufluchtsland

HuK-Info: Nr. 191 (Juli-Oktober 2014)

Sonntagstreffen der Regionalgruppe Bielefeld zum Thema "Homosexualität als Verfolgungs- und Asylgrund" am 15. Juni

Bericht von Christoph Müer und Jana Ilic, HuK-Bielefeld/AK Asyl e.V.

Dieses Sonntagstreffen war so gut besucht wie selten; kaum eine andere Veranstaltung der Regionalgruppe Bielefeld zählt so viele Teilnehmer. Das hohe Interesse am Thema "Homosexualität als Verfolgungs- und Asylgrund" kann ein Hinweis auf die Wichtigkeit dieser Problematik sein, weshalb ich auch von diesem Gesprächsnachmittag hier im HuK-Info berichten möchte.

Sachkundige Referentin war Jana Ilic, Mitarbeiterin des Bielefelder AK Asyl e.V. Sie hat für uns das Thema aus politischer, psychologischer, juristischer und sozialer Perspektive beleuchtet und aus der Beratungspraxis erzählt. Der Bielefelder Arbeitskreis hat auch eine eigene Queer-Gruppe. Aus diesem Kontext stammt das folgende Fallbeispiel, von dem Jana Ilic berichtete:

Ein Fallbeispiel: Herr B. aus Bosnien

Während meiner Beratung in der Erstaufnahmeeinrichtung für neu eingereiste Geflüchtete in Bielefeld habe ich Kontakt zu Herrn B. bekommen. Er suchte mich dort auf und bat um Unterstützung und Beratung. Herr B. hat darüber hinaus regelmäßig an Treffen der Queer Gruppe des AK Asyls teilgenommen.

Ein junger Mann aus Bosnien stellte in Deutschland einen Asylfolgeantrag (er war bereits während der Kriegszeit mit seiner Mutter nach Deutschland geflüchtet). Er stellte einen Asylfolgeantrag aus Gründen der Verfolgung wegen seiner Homosexualität und benannte diese Gründe schriftlich. Er fühlt sich in Bosnien nicht sicher, es kam im Herkunftsland zu Übergriffen und verbalen Attacken aufgrund seiner Homosexualität. Auch seine Mutter hatte nach Bekanntwerden seiner Homosexualität mit Repressalien zu kämpfen. So wurde beispielsweise mehrfach der Marktstand von Herrn B. und seiner Mutter verwüstet. Mehrfache Umzüge aus Angst vor weiteren Anfeindungen waren die Folge.

Obwohl die Gründe schriftlich von Herrn B. erwähnt waren, kam es zu einer Nichtbeachtung bei der Rückübersetzung in die deutsche Sprache. Mit Hilfe einer Anwältin wurde per Eilantrag Klage eingereicht. Die Klage hatte jedoch keine aufschiebende Wirkung und Herr B. musste täglich mit einer Ausreiseaufforderung rechnen. So kam es auch, dass trotz der bestehenden Gefahrenlage für LGBTI Personen in Bosnien die Ausreiseaufforderung von Seiten der Ausländerbehörde zugestellt wurde. Herrn B. wurde eine Frist gesetzt, in der er sich zur Ausreise verpflichten musste, sonst wäre er abgeschoben worden. Da Herrn B. lediglich Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz bezog, war es Herrn B. nicht möglich eine Ausreise und damit einhergehende zusätzliche Kosten zu bewerkstelligen. Unser Verein unterstützte Herrn B. durch Spenden und versuchte im Herkunftsland Kontakt zu einer dortigen NGO für LGBTI-Rechte zu knüpfen. Herr B. ist nun seit Mai 2014 in Bosnien und verfügt dort über keinerlei Lebensgrundlage. Zu der in Sarajevo ansässigen LGBTI-Organisation hat er aufgrund der räumlichen Entfernung kaum Möglichkeiten Kontakte aufzubauen, sich regelmäßigen Treffen anzuschließen oder soziale Kontakte im LGBTI-Kontext zu knüpfen. Herr B. hatte vor seiner Flucht nach Deutschland bereits homophobe Übergriffe und verbale Attacken erlebt, die sich nun wieder fortsetzen. Bei einem der letzten Telefonate berichtete mir Herr B. über erst kürzlich wieder geschehene Attacken gegen ihn. Herr B. versuchte in einer anderen Stadt eine Möglichkeit zu finden zu arbeiten und eine Bleibe zu bekommen, aber auch dieser Versuch scheiterte. Bosnien hat ohnehin eine hohe Prozentzahl an arbeitslosen Menschen und nach der kürzlichen Flutkatastrophe sind viele Menschen ohne Obdach.

Menschen, die einer Minderheit angehören, haben umso weniger Chancen am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Herr B. gehört der Minderheit der Roma an und ist somit in Bosnien neben seiner Diskriminierung aufgrund seiner Homosexualität auch als Roma sozial geächtet und Diskriminierung und Stigmatisierung ausgesetzt.

Aussagen der Koordinatorin Vladana Vasic von der Organisation Sarajevo Open Centre zufolge sind insbesondere die Roma-LGBTI-Menschen eine marginalisierte Gruppe, zu denen auch die Organisation kaum Kontakte hat. Übergriffe, die zur Anzeige bei der Polizei führen, werden oft nicht weiterverfolgt. Die betroffenen Personen scheuen sich auch davor Anzeige zu erstatten, weil sie Angst vor weiterer Diskriminierung durch staatliche Akteure, beispielsweise durch die Polizei, haben. Insbesondere im Fall von Herrn B. besteht also eine große Gefahr, von weiterer Marginalisierung und Menschenrechtsverletzungen getroffen zu werden, ohne die Hoffnung auf Schutz durch staatliche Akteure zu haben.

Queer Gruppe des AK Asyl e.V. Bielefeld

Die Queer Gruppe des AK Asyl unterstützt LGBTI-Personen im Asylverfahren und bietet ihnen die Möglichkeit, sich in geschütztem Rahmen zu treffen. Hier können sie sich über ihre Fluchtgründe und Ängste austauschen und ohne Furcht vor Repressalien soziale Kontakte knüpfen.

Häufig leiden LGBTI Personen unter ständiger Diskriminierung im Herkunftsland und insbesondere unter der sich fortsetzenden Diskriminierung im Asylverfahren, insbesondere während des Wohnens in der Erstaufnahmeeinrichtung und in Heimen. Hier besteht keinerlei Möglichkeit zur Privatsphäre, und auch in Deutschland kommt es weiter zu homophoben Übergriffen. So berichtete einer unserer Gruppenteilnehmer, dass er nach Bekanntwerden seiner Homosexualität von anderen Bewohnern im Heim verbal attackiert und bedroht wurde, sodass ein Umzug notwendig war. Viele LGBTI entscheiden sich daher für einen psychischen und physischen Rückzug. Hier bietet die Gruppe der LGBTI-Geflüchteten einen Ausweg. Da sie in den Räumen des AK Asyl stattfindet, ist sie zunächst einmal nicht sichtbar, bietet jedoch Raum für Gespräche und Austausch. Es bedarf einer hohen Sensibilität in der Beratung, um jahrelanges Misstrauen und Skepsis zu überwinden um Raum zu schaffen für Gespräche und Austausch. Oft sprechen die Geflüchteten erst nach Asylantragstellung über ihre Homosexualität, weil sie weitere Repressalien und Verfolgung fürchten. Das führt häufig dazu, dass Ihnen nicht geglaubt wird, wenn sie im Asylverfahren später Homosexualität als Verfolgungsgrund angeben. Hier sehen wir vom AK Asyl unsere Aufgabe darin:

  • die Betroffenen im Asylverfahren zu beraten und zu unterstützen, insbesondere bei der Vorbereitung auf eine Anhörung, bei der es darum geht, ihre Homosexualität schlüssig und glaubhaft darzulegen,
  • Homosexualität als Fluchtgrund in das Bewusstsein der Entscheider und der Gesellschaft zu rücken und
  • den Geflüchteten LGBTI-Personen die Chance zu geben über ihr Erlebtes zu sprechen.
  • Falls eine Abschiebung oder Ausreise unumgänglich wird, bauen wir frühzeitig Kontakt zu NGO's im Herkunftsland auf, damit die Betroffenen weiterhin Unterstützung erfahren. 

Hierfür sind wir auf Spenden angewiesen: Einerseits für Anwaltskosten sowie evtl. weitere notwendige Kosten bei und nach einer Abschiebung oder freiwilligen Ausreise, andererseits auch ganz konkret vor Ort. Gerade für LGBTI ist es wichtig, am gesellschaftlichen und kulturellen Leben in Deutschland teilzunehmen. Dies ist aufgrund der niedrigen Sozialleistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes oft nicht möglich (Kosten für Bahn-/Busfahrkarten, Eintritte...).

Bitte helfen Sie uns weiter, damit unsere Teilnehmer und Teilnehmerinnen weiter über uns sagen können: "Es hat sich noch nie jemand so für mich interessiert und mich so unterstützt. Ihr seid für mich wie eine Familie!"

AK Asyl e.V.
Kavalleriestraße 26, 33602 Bielefeld
Tel.: 0521-787152-40
E-Mail: info@remove-this.ak-asyl.info

Internationale Daten und Fakten

(Quelle: ILGA: International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association)

In 78 Ländern der Welt steht Homosexualität unter Strafe, in 5 Ländern steht die Todesstrafe auf homosexuelle Handlungen. In vielen Ländern innerhalb und außerhalb Europas werden gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen bzw. Beziehungen kriminalisiert. Leider gehört es nicht der Vergangenheit an, dass Liebesbeziehungen zwischen zwei Menschen des selben Geschlechts noch als «Sodomie» bezeichnet und mit Stockschlägen, Bußen, Freiheitsentzug, langen Haftstrafen bis hin zur Todesstrafe geahndet werden.

Nicht nur die Strafverfolgung ist eine Tatsache, sondern auch der fehlende Rechtsschutz, wenn LGBTI-Personen Opfer von Gewalt werden. Strafverfahren werden eingestellt, Polizeirapporte verweigert und mutmaßliche TäterInnen frei gelassen, wenn die Opfer Schutz suchen. Leider gilt nicht zwingend, dass bei anerkennenden Gesetzen zu Homosexualität kein homophobes Klima in diesem Land herrscht. Südafrika hat z. B. Gesetze, die gleichgeschlechtliche Ehen erlauben, doch gleichzeitig herrscht in diesem Land ein sehr homophobes Klima und es gibt viele Gewalttaten gegen Menschen, die LGBTI sind.

Paradoxerweise wird die Liste der Länder, die Homosexualität bestrafen, verbieten und neue diskriminierende Gesetze erlassen, immer länger! In einigen Ländern sind Bestrebungen zu neuen, restriktiveren Gesetzesreformen zu beobachten: In Uganda zum Beispiel hat das Parlament im Dezember 2013 mit großer Mehrheit ein Gesetz verabschiedet, welches bis zu lebenslanger Haft für homosexuelle Handlungen vorsieht. Am 24. Februar 2014 unterschrieb Präsident Yoweri Museveni dieses Gesetz. Im ersten Entwurf war sogar die Todesstrafe vorgesehen. Internationale Proteste konnten die Wiedereinführung der Todesstrafe auf alle homosexuellen Handlungen zwar abwenden, doch wurde sie durch lebenslange Haft ersetzt. Ebenfalls unter Strafe steht die öffentliche «Werbung für homosexuelle Aktivitäten» – darunter fallen auch Diskussionen über die Menschenrechte von Schwulen und Lesben oder öffentliche Veranstaltungen. Mit Gefängnis wird außerdem bestraft, wer gleichgeschlechtliche Akte nicht der Polizei meldet, selbst wenn es sich um Familienangehörige handelt. Damit öffnet das Gesetz Tür und Tor für Willkür und falsche Anschuldigungen.