20.06.2014

Rede zum "Internationalen Tag der Geflüchteten" 2014

Am Freitag, 20. Juni 2014 war der diesjährige "Internationale Tag der Geflüchteten". Aus diesem Anlass wurde vom Bielefelder Bündnis gegen Rechts eine Kundgebung auf dem Kesselbrink organisiert. Wir dokumentieren hier den dort gehaltenen Redebeitrag von Dr. Zübeyde Duyar vom AK Asyl e.V. Bielefeld.

Zum Weltflüchtlingstag meldet die Flüchtlingshilfeorganisation UNHCR einen traurigen Rekord: Über 50 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht - so viele wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Aber wen interessiert das eigentlich? Denn die meisten Flüchtlinge fliehen innerhalb ihrer eigenen Länder oder aber in die Nachbarländer, was aktuell auch das Beispiel Syrien zeigt. Nur eine verschwindend geringe Anzahl von ihnen sucht Schutz vor Verfolgung in Deutschland, wo sie aber mit wachsender Intoleranz, Ausgrenzung, Rassismus und einer äußerst restriktiven Asylpolitik konfrontiert werden. Nicht nur EU, sondern auch Deutschland und auch die Verantwortlichen unserer Stadt Bielefeld betreiben immer mehr eine Abschottungs- und Grenzschutzpolitik statt den Geflüchteten den Schutz und die Sicherheit zu gewähren und damit der Umsetzung ihrer gesetzlichen Pflicht nachzukommen.

Wir verurteilen einen solchen Umgang mit Geflüchteten, weil sie nicht nur unmenschlich ist, sondern auch eine Verletzung von Menschenrechten nach unserem Grundgesetz und dem Genfer Flüchtlingskonvention darstellt. Unser erneut gewählter Oberbürgermeister Pit Clausen, der sich zumindest nach außen hin als so offen, tolerant und Menschenfreund darstellt, hätte heute am "Internationalen Tag der Geflüchteten" die Chance gehabt auch diese bei uns in Bielefeld lebenden Menschen als Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt zumindest als willkommen zu begrüßen.

Stattdessen hat er auf die Einladung der Orgagruppe über seine Sekretärin wie folgt geantwortet:

"Sehr geehrte Damen und Herren!
Oberbürgermeister Clausen hat mich gebeten, Ihnen auf Ihre E-Mail zu antworten. Herzlich möchte er sich für die guten Wünsche sowie die ausgesprochene Einladung bedanken. Leider ist er jedoch am Freitag nicht in Bielefeld, sodass er nicht zu Ihnen kommen kann. Das bedauert er sehr, bittet aber um Ihr Verständnis. Für Ihren Aktionstag wünscht Herr Clausen Ihnen eine große öffentliche Aufmerksamkeit und gutes Gelingen!"

Damit hat Herr Clausen die Chance verpasst heute zu zeigen, dass er sich wirklich auch für die in Bielefeld lebenden Geflüchteten und ihre Situation interessiert und sie zumindest als gleichwertige Menschen unserer Stadt ansieht.

Aber warum sollte er auch heute kommen, wenn die Wahl bereits wieder zu seinen Gunsten ausgegangen ist und die Geflüchteten hier sowieso kein Stimmrecht haben. Gerade weil die Verantwortlichen unserer Stadt nicht ihrer Pflicht und Verantwortung nachkommen, müssen wir alle anderen uns umso mehr mit den Geflüchteten solidarisieren und uns mit ihnen gemeinsam für ihre Rechte auf ein menschenwürdiges Leben und ein Bleiberecht in Bielefeld einsetzen. Nur wenn wir dies geschafft haben und auch die Verantwortlichen irgendwann dem nachkommen, können wir tatsächlich auf ehrliche Weise "Refugees welcome – Geflüchtete Willkommen in Bielefeld" sagen.

Denn die aktuelle Situation für die Geflüchteten in Bielefeld lässt leider die Annahme einer solchen "Willkommenskultur" noch längst nicht zu:

  • Nicht solange von der Zentralen Ausländerbehörde unserer Stadt aus für ganz NRW Flugbuchungen für Abschiebungen getätigt werden und auch unsere Stadt selbst Abschiebungen von Geflüchteten durchführt.
  • Nicht solange nach Bielefeld zugewiesenen Flüchtlinge bei uns zentral in Übergangsheimen untergebracht werden und nicht von Anfang an das Recht haben in einer privaten Wohnung unterzukommen. Während die Geflüchteten bei uns in Bielefeld noch dezentral in verschiedenen Übergangsheimen untergebracht werden, sollen sie nächstes Jahr in Brackwede an der Eisenbahnstraße zentral untergebracht werden und dürfen sich auch dann weiterhin frühestens nach einem Jahr privat eine Wohnung nehmen.
  • Aber auch bei der Unterbringung der neueingereisten Asylsuchenden in der Erstaufnahmeeinrichtung an der Gütersloher Straße in Brackwede verlangen wir weiterhin bessere und menschenwürdigere Bedingungen als es bisher der Fall ist.
  • In Zukunft sollen viel weniger Zuweisungen nach Bielefeld erfolgen, weil die Erstaufnahmeeinrichtung an der Gütersloher Straße erweitert werden soll und die Stadt Bielefeld für ihre Bereitschaft vom NRW-Ministerium dafür jährlich 250 Geflüchtete auf ihre Aufnahmequote berechnen wird, ohne dass diese Menschen nach Bielefeld zugewiesen werden. Dadurch werden Zuweisungen und Umverteilungen nach Bielefeld selbst in Härtefällen faktisch unmöglich.
  • Vor allem in Bielefeld lebende Romaflüchtlinge werden von der Stadt Bielefeld abgeschoben. Die Herkunftsländer dieser Menschen Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina werden neuerdings vom Gesetzgeber als Drittsichere Staaten deklariert, was eine Schande ist. Denn damit wurde für diese Menschen faktisch ein Asyl- und Flüchtlingsschutz, aber auch ein humanitärer Schutz abgeschafft, was in der Praxis bisher auch ohne diese Regelung der Fall ist.

Um unserer aller Pflicht und Verantwortung gegenüber Menschen, die bei uns Zuflucht suchen auch wirklich gerechter zu werden, müssen auch Geflüchtete wie alle anderen Menschen gleichwertig und gelichberechtigt behandelt werden und dürfen nicht dem rechten und rassistischen Spektrum und immer mehr rechtsorientierter Flüchtlings- und Asylpolitik hilflos überlassen werden.

Um dem entgegenzuwirken sollten daher aus unserer Sicht alle Flüchtlinge – wie alle anderen Menschen auch – nach Möglichkeit in Wohnungen leben, da Heime nicht nur physisch und psychisch krank machen, sondern Privatwohnungen auch kostengünstiger sind und eine Ghettoisierung und Ausgrenzung mit all ihren negativen Folgen verhindern und die Integration in ein normales Wohnumfeld ermöglichen. Deshalb wünschen wir uns von der Stadt Bielefeld ein Konzept, das alle Beteiligten, die Behörden, Akteure der Flüchtlingshilfe und besonders auch die hier Zuflucht Suchenden mit einbezieht.

Ansonsten werden alle Worte von Integration weiterhin nicht für Asylsuchende und Menschen mit Duldung gelten und bleiben eine Augenwischerei, um ein System zu rechtfertigen, das eher einem Asyl- und Integrationsverhinderungssystem gleichkommt.

Trotz aller behördlichen Hindernisse und alltäglichen institutionellen Rassismus, macht es Mut, zu sehen wie viele Menschen mit vielen Methoden gegen Abschiebung und Ausgrenzung kämpfen, Flüchtlinge und andere AktivistInnen gemeinsam, an vielen Orten und mit vielen verschiedenen Mitteln, durch praktische Unterstützung durch Aktionen und Öffentlichkeitsarbeit. Deshalb ist es auch enorm wichtig, dass wir heute hier alle zusammengekommen sind und uns mit den Geflüchteten solidarisieren.

  • Lasst uns weiter mit vielen kreativen Mitteln für ein sicheres Aufenthaltsrecht und gegen Abschiebungen, Ausgrenzung und Rassismus kämpfen.
  • Wir fordern die Abschaffung rassistischer Sondergesetze, wie dem Asylbewerberleistungsgesetz, der Residenzpflicht und der Wohnsitzauflage.
  • Wir fordern Abschaffung der Lager und Heimunterbringung für Flüchtlinge und Wohnungen für alle
  • Wir fordern Arbeitserlaubnisse für alle Flüchtlinge
  • Wir fordern kostenlose Deutschkurse für alle
  • Wir fordern die flächendeckende Einrichtung von Zentren für traumatisierte Flüchtlinge und Schutz für Überlebende von Folter und Krieg
  • Und wir fordern ein Bleiberecht für alle Menschen, die hierher fliehen, um Schutz vor politischer, sexistischer oder rassistischer Verfolgung, vor Krieg und Hunger zu suchen und wollen keine leeren Worthülsen über Demokratie und Menschenrechte mehr hören

Es geht um gleiche Rechte für alle, um Gerechtigkeit, Menschenwürde und um das Recht auf Bewegungsfreiheit!

Unser Oberbürgermeister Herr Clausen wird eine Abschrift dieser Rede bekommen und bekommt trotz seines Nichterscheinens für die Zukunft die Chance in seiner Vorbildfunktion für unsere Stadt zu zeigen wie er wirklich zu den Geflüchteten in unserer Stadt steht!

Um Europa keine Mauer, Bleiberecht für alle und auf Dauer!

Diesen Redebeitrag und weitere gibt es auch als Audio zum Anhören auf der Homepage der Piraten Bielefeld: www.piraten-bielefeld.de

Eine Fotos vom Aktionstag auf dem Kesselbrink gibt es auf der Homepage des Bündnisses gegen rechts: bielefeldstelltsichquer.wordpress.com

Dateien:
Rede_20.06.2014.pdf39 Ki