30.03.2016

Leser_innenbrief: "Brabandt gegen Sozialwohnungen auf dem Marktplatz"

Am 25. März 2016 veröffentlichte die 'Neue Westfälische' einen offenen Brief "Brabandt gegen Sozialwohnungen auf dem Marktplatz". Dazu äußert sich Dr. Niels Pörksen, ehemaliger Chefarzt, gemeinsam mit der Medizinische Flüchtlingshilfe (MFH) Bielefeld.

Screenshot Brief

Sehr geehrter Herr Kollege de Brabandt,

Ihren „Offenen Brief“ an Bezirksbürgermeister Detlef Knabe habe ich mit Verwunderung zur Kenntnis genommen. Es mag Ihr gutes Recht sein, sich als Schildescher Bürger um Ihr persönliches Wohnumfeld Sorgen und Gedanken zu machen; die Beibehaltung wohnlicher Gestaltung gewachsener Strukturen ist sicherlich ein nachvollziehbares Anliegen für das friedliche Zusammenleben in der Nachbarschaft und im Wohnquartier.

Da werden Sie mir sicherlich zustimmen; auch darin, dass dies nicht nur für den Schildescher Marktplatz, sondern für die gesamte Stadt Bielefeld in allen Wohnquartieren gilt, auch für diejenigen, die nicht so schön ausgestattet sind.

Es finden sich allerdings zahlreiche Aussagen in Ihrem offenen Brief, die man als engagierter Bürger dieser friedliebenden Stadt am Teutoburger Wald nicht unwidersprochen stehen lassen kann.

Sie machen sich zum Sprecher zahlreicher einflussreicher Schildescher Bürger – das wirkt anmaßend.

Sie drohen verhalten und offen, sich mit „allen verfügbaren juristischen Mitteln zur Wehr zu setzen“. Das spricht für sich.

Vor allem aber tragen Sie mit Ihrem Brief zu einer Spaltung in der Gesellschaft bei, die wir in Bielefeld unter keinen Umständen brauchen können.

Ich lebe seit 1984 in dieser Stadt und ich lebe gern hier – auch im Ruhestand- , weil diese Stadt es mit ca. 30 % Bürgern mit einem Migrationshintergrund geschafft hat, ein friedliches Zusammenleben trotz oder wegen der Vielfalt unterschiedlichster Menschen zu gewährleisten.

Wir haben es von dem ehemaligen anstaltsbezogenen Lebensort Bethel aus für weit mehr als 1000 Menschen mit chronischen Krankheiten und Behinderungen geschafft, dass sie heute allein oder in Wohngruppen unter uns leben – und das ohne Gegenwehr und Bürgerinitiativen – wie an anderen Orten der Republik. Diese Stadt hat eine Willkommens- und Integrationskultur geschaffen – und lebt sie täglich -, die unter keinen Umständen gefährdet oder zerstört werden darf. Diese Integrationskultur geht uns alle an.

Wir gut verdienende Steuerzahler können uns weiß Gott nicht beklagen über mangelnde Privilegien in unserer Gesellschaft. Dieser Teil Ihres Schreibens widerspricht jeder Realität. Und mit der AFD – oder wen meinen Sie mit der Aussage „ die Politiker sollen nicht auf die Vergesslichkeit der Wähler spekulieren“ – wollen wir uns schon gar nicht drohen lassen.

Ich appelliere an Sie und an all diejenigen, denen es gut geht in dieser Stadt, die schwierigen vor uns liegenden Aufgaben der Integration der neuen Mitbürger, die als Flüchtlinge aus unerträglichen Lebenslagen gekommen sind, sich der Willkommenskultur nicht zu verschließen – dann werden diese Neubürger unsere Stadt bereichern und nicht in ihrem Zusammenhalt zerstören, auch nicht in Schildesche.

Wir brauchen keine Spalter unserer Gesellschaft – das wird auch die AFD nicht schaffen – wir brauchen aber alle Bürger, um den Lebenswert dieser Stadt nicht nur am Schildescher Marktplatz, sondern in allen Stadtteilen zu erhalten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Niels Pörksen