22.09.2015

Gesetzesentwurf: Medizinische Minderversorgung für Geflüchtete

Die "Medizinische Flüchtlingshilfe" (MFH) im AK Asyl e.V. Bielefeld fordert gemeinsam mit weiteren Medibüros und dem Medinetze in Deutschland, "medico international" und dem "Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte" eine Verbesserung der medizinischen Versorgung für Asylsuchende. Wir dokumentieren hier gerne eine Mitteilung des Bündnisses.

Screenshot Pressemitteilung

Gesundheitskarte zweiter Klasse? – Medizinische Minderversorgung von Asylsuchenden beenden!

Der überarbeitete Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Asylpolitik enthält nach wie vor weitreichende Verschärfungen und Verschlechterungen im Aufenthalts-, Asyl- und Sozialrecht für die betroffenen Migrantinnen und Migranten ohne Antworten auf Fluchtursachen zu finden oder alternative Zugangswege nach Europa aufzuweisen. Zudem zementiert der Gesetzentwurf auch zukünftig die mangelhafte Minimalmedizin gemäß Asylbewerberleistungsgesetz. Und dies obwohl der Bundesregierung bekannt ist, dass die Umsetzung des AsylbLG seit seiner Einführung 1993 hinsichtlich der medizinischen Versorgung nicht funktioniert. Willkürliche Auslegungen und Umsetzungen mit gravierenden gesundheitlichen Folgen für die Betroffenen sind die Praxis: verschlimmerte Krankheitsverläufe, Chronifizierungen und Todesfälle.

Die Medibüros und Medinetze haben dazu bereits im August gemeinsam mit dem vdää – Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte und medico international in ihrem Aufruf für eine Verbesserung der medizinischen Versorgung von Asylsuchenden Stellung bezogen.

Gesundheitskarte zweiter Klasse für Asylsuchende und Geflüchtete

Asylsuchende, die direkt in Deutschland ihren Asylantrag gestellt haben, sollen nach dem vorliegenden Gesetzentwurf zwar zukünftig eine Krankenversicherungskarte erhalten können – wenn die zuständigen Länder oder Landkreise dies wünschen. Es bleibt somit erstens bei optionalen Länder-spezifischen Abschlüssen von Krankenkassenverträgen. Angemessene gesundheitliche Versorgung entsprechend menschenrechtlicher Standards darf jedoch keine optionale Ländersache sein, sondern erfordert eine verbindliche gesetzlichen Regelung für alle Bundesländer. Zweitens gelten weiterhin die eingeschränkten Leistungen gemäß §§ 4 und 6 AsylbLG, d.h. nur eine Behandlung akuter Krankheiten und bei Schmerzzuständen, Hilfen bei Geburten sowie Leistungen, die zur Aufrechterhaltung der Gesundheit unerlässlich sind.

Zukünftig muss sogar der Hinweis auf diese Einschränkungen auf der elektronischen Karte vermerkt sein: „Achtung Asylsuchende – Behandlung nur, wenn akut und schmerzhaft“. Ignoriert wird dabei die erfolgreiche Praxis in Bremen und Hamburg, wo Asylsuchende jede notwendige Behandlung erhalten. Die medizinisch unsinnige Vorabprüfung, ob eine Krankheit akut ist oder nicht, fällt hier weg. Und dies bei gleichzeitiger Kostensenkung für die Sozialbehörden. Das geplante Gesetz erhöht demgegenüber nicht nur den administrativen Aufwand, sondern führt zu einer weiteren Verschlechterung der Gesundheitsversorgung von Asylsuchenden.

Wir fordern daher die Streichung von § 4 AsylbLG und eine medizinisch bestimmte Krankenversorgung aller Asylsuchenden, Flüchtlinge, Geduldeten und Papierlosen durch Integration in gesetzliche Krankenkassen – denn ausreichende Gesundheitsversorgung ist ein Menschenrecht!

Die 33 Medibüros und Medinetze in Deutschland sind seit 20 Jahren zusammen mit kooperationswilligen Ärztinnen und Ärzten, Krankenhäusern, Hebammen und anderen Fachleuten aus dem Gesundheitswesen aktiv, um im ständigen Kontakt mit den Betroffenen wenigstens örtlich eine ausreichende Gesundheitsversorgung sicherzustellen.

Das Recht auf Gesundheitsversorgung sicherzustellen, ist jedoch Aufgabe des Staates – und nicht von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Mit ihrem Gesetzentwurf produziert die Bundesregierung weiterhin den Ausschluss zahlreicher Menschen aus den sozialen Sicherungssystemen und überlässt es somit auch weiterhin den „ehrenamtlich“ Engagierten, die willentlich gerissenen Versorgungslücken zu stopfen.

Unser Lösungsvorschlag: Die Einbindung aller Asylsuchenden gemäß § 27 und § 264 Absatz 2 Sozialgesetzbuch V in die Gesetzliche Krankenversicherung anstelle von §§ 4 und 6 AsylbLG gewährleistet eine praktikable, bürokratiearme Umsetzung durch bereits existierende Strukturen, verursacht keine zusätzlichen Kosten und schafft ein einheitliches, menschenrechtskonformes System der Gesundheitsversorgung ohne Diskriminierungen.

Wir fordern Bund und Länder daher dazu auf,

  • das Gesetzespaket zu stoppen.
  • sich aktiv einzusetzen für eine gesetzlich verbindliche bundesweite Realisierung einer ausreichenden medizinischen Versorgung von Asylsuchenden und anderen Gruppen, welche unter § 1 AsylbLG fallen.
  • die Eingliederung in die gesetzliche Krankenversicherung und medizinische Versorgung gemäß § 27 und § 264 Absatz 2 Sozialgesetzbuch V anstelle von §§ 4 und 6 AsylbLG zu beschließen - so wie sie bereits jetzt für alle Asylsuchenden nach 15 Monaten Asylverfahren nach § 2 AsylbLG besteht.