Appell für die Rechte von Roma-Flüchtlingen
Der AK Asyl e.V. unterstützt den vom "Komitee für Grundrechte und Demokratie" in Köln Ende April 2014 initiierten Appell an den Bundestag, den Bundesrat und die Bundesregierung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, die Länder Bosnien-Herzegowina, Serbien und Mazedonien zu "sicheren Herkunftsländern" zu erklären.
Für die Rechte von Roma-Flüchtlingen – sie haben kein "sicheres Herkunftsland"!
Solange das asylabwehrende, rigide Visaregime gegenüber den Staaten des vormaligen Jugoslawiens bestand – bis in die Jahre 2009/2010 –, konnten überhaupt nur wenige Flüchtlinge aus diesen Staaten um Asyl und Schutz in Deutschland nachsuchen. Sie kamen erst gar nicht über die Grenzen. Mit der Aufhebung der Visumpflicht hat sich dieses geändert. Da man jedoch diskriminierten und verarmten Roma, die nun die Gelegenheit nutzen, ihrem Elend zu entfliehen, in Deutschland keinen Schutz gewähren will, sollen die Staaten Bosnien-Herzegowina, Serbien und Mazedonien kurzerhand zu "sicheren Herkunftsländern" erklärt werden. Nach der Regierungslogik: Der Staat, aus dem viele Roma nach Deutschland migrieren, kann nur ein sicherer Herkunftsstaat sein, denn dann ist es einfacher, Roma dorthin abzuschieben.
Die unterzeichnenden Organisationen und Einzelpersonen lehnen die vorgeschlagene Gesetzesänderung ab, da sie den Schutzanspruch insbesondere von Roma-Flüchtlingen aus den Staaten des vormaligen Jugoslawiens menschenrechtswidrig untergräbt. Den Schutzsuchenden soll damit auferlegt werden, die generelle staatliche Vermutung zu widerlegen, dass ihr Asylgesuch "offensichtlich unbegründet" sei, weil sie aus einem vermeintlich "sicheren Herkunftsstaat" kommen. Die damit einhergehende Beschleunigung des Asyl- und Abschiebeverfahrens geht allein zu ihren Lasten. Faktisch wird ihnen damit die Möglichkeit einer gründlichen Prüfung des Einzelfalls genommen, die bislang in zahlreichen Fällen zu einem Aufenthaltsrecht in Deutschland geführt hat, obwohl bereits in der gegenwärtigen Asylpraxis Ablehnungen im Schnellverfahren üblich sind. Zudem werden mit dem Gesetzentwurf die vielfachen existenzbedrohenden Diskriminierungen und die gewalttätigen Übergriffe, denen viele Roma in den o.g. Ländern ausgesetzt sind, sowie ihre soziale Verelendung von vornherein als nicht schutzrelevant eingestuft.
Die Bundesregierung gibt die Zahl derjenigen, die im Jahr 2013 aus diesen künftig zu sicheren Herkunftsstaaten transformierten Ländern Asyl-, Flüchtlings- oder subsidiären Schutz erhalten haben, mit 60 Fällen an. Hinzu kommen weitere 82 Gerichtsentscheidungen im Jahr 2013, mit denen Flüchtlingen ebenfalls ein Schutzanspruch zugesprochen wurde. Mehrere Bundesländer haben die Abschiebungen insbesondere von Roma in Länder des vormaligen Jugoslawiens zumindest über die Wintermonate ausgesetzt, weil sie von existenzbedrohlichen Gefährdungen und höchst unsicheren Rückkehrbedingungen ausgingen. Nach der regierungsamtlichen Logik bleiben diese Sachverhalte jedoch ohne Bedeutung. Betroffen von der geplanten Gesetzesänderung sind auch viele Kinder, denen in ihren Herkunftsländern schulische Bildung verweigert wird. Für sie ist eine Zukunft ohne berufliche Arbeit in den Elendsquartieren der Roma- Siedlungen vorgezeichnet.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zielt allein darauf ab, die unerwünschten Roma möglichst rasch wieder in ihre Herkunftsstaaten abzuschieben, in denen sie systematisch diskriminiert und in vielen sozialen Belangen massiv benachteiligt und ausgegrenzt werden. Entgegen allen Beteuerungen der Bundesregierung, sich für die Roma-Minderheiten einzusetzen, bleibt die existenzbedrohende Lage von Roma in Südosteuropa ohne Konsequenz.
Aus menschenrechtlicher Sicht und aus tatsächlicher Übernahme von Verantwortung für den Völkermord an den Sinti und Roma ist der Gesetzesentwurf abzulehnen.
Die Worte von Bundeskanzlerin Merkel zur Einweihung des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma dürfen nicht folgenlos bleiben. Sie erklärte:
"Menschlichkeit – das bedeutet Anteilnahme, die Fähigkeit und die Bereitschaft, auch mit den Augen des anderen zu sehen. Sie bedeutet hinzusehen und nicht wegzusehen, wenn die Würde des Menschen verletzt wird. Davon lebt jegliche Zivilisation, Kultur und Demokratie. (...) Doch reden wir nicht drumherum: Sinti und Roma leiden auch heute oftmals unter Ausgrenzung, unter Ablehnung. (...) Sinti und Roma müssen auch heute um ihre Rechte kämpfen. Deshalb ist es eine deutsche und eine europäische Aufgabe, sie dabei zu unterstützen, wo auch immer und innerhalb welcher Staatsgrenzen auch immer sie leben. (...)"
Der Gesetzentwurf widerspricht diesem Bekenntnis der Bundeskanzlerin eklatant. Die Bundesregierung will nicht hinsehen, wenn die Würde des Menschen verletzt wird. Statt für die Rechte der Roma jenseits aller Staatsgrenzen zu streiten, werden sie dorthin zurückgeschickt, von wo sie geflohen sind und wo sie unter Ausgrenzung und Ablehnung leiden.